"Fast wie ein Tanz" – Der 15-jährige Syrer, Khaled aus der Jugendhilfe Dresden erreicht den braunen Gürtel im Taekwondo
In der Jugendhilfe das SRH Berufsbildungswerkes Dresden wohnt ein junger Syrer, der sich innerhalb eines halben Jahres vom unsicheren, schüchternen Jungen zu einem selbstbestimmten, fröhlichen Jugendlichen entwickelt hat - und das nicht zuletzt durch seinen Sport, dem Taekwondo.
Bekleidet mit der typischen weißen Trainingskleidung für Kampfsportarten sitzt Khaled auf dem Boden einer Trainingshalle. Hier fühlt er sich wohl, hier ist er in seinem Element. Erst im Juni 2022 kam Khaled als so genannter unbegleiteter Minderjähriger aus Syrien nach Deutschland und lebt seit einigen Monaten in der Jugendhilfe des SRH Berufsbildungswerkes Dresden. Seine Muttersprache ist kurdisch, seine Deutschkenntnisse werden immer besser. Seit September ist er Träger des braunen Gürtels und steht damit kurz davor Meister zu werden.
Bereits in seiner Heimat Syrien trainiert der 15-Jährige die koreanische Kampfkunst. Die Entscheidung für diese Sportart traf er vor vier Jahren gemeinsam mit seiner Familie. "Was ich an Taekwondo mag? Ich mag alles daran. Es macht mich schneller, gibt mir mehr Beweglichkeit und Kraft, aber auch Entspannung", erzählt Khaled begeistert.
Auch in seiner neuen Heimat will er weiter trainieren, denn mit diesem Sport hat er ein Stück seines alten Lebens mit nach Deutschland gebracht. Er trainiert dreimal pro Woche im Taekwondo Allkampf Club Dresden e.V. Heinrich Magosch. Gemeinsam mit seinen Bezugsbetreuerinnen Katharina Lötzsch und Celine Fritzsche hat er einen Wochenplan aufgestellt; seine Trainingszeiten haben darin einen festen Platz. An die Trainingseinheiten muss er nicht erinnert werden. „Das ist ihm sehr wichtig, da denkt er von selbst dran“, so Katharina Lötzsch.
Von Neuankömmling zum "alten Hasen" in wenigen Monaten
Als Khaled in die Jugendhilfe des Berufsbildungswerkes Dresden kommt, lebt er, wie viele Neuankömmlinge ohne deutsche Muttersprache zunächst in der intensivpädagogischen Wohngruppe. So kann der erhöhte Betreuungsaufwand für Behördengänge und Arzttermine durch einen erhöhten Personalschlüssel aufgefangen werden. Da Khaled sich sehr gut entwickelt, kann er bald in die Regelwohngruppe wechseln. Katharina Lötzsch beschreibt, welche Wandlung Khaled in den vergangenen sechs Monaten gemacht hat: "Als Khaled bei uns ankam, war er verunsichert, sehr brav, angepasst und in sich gekehrt. Er hat lange Zeit gar nicht gesprochen. Mittlerweile kann er sehr gut für sich selbst sorgen und kümmert sich als ‚alter Hase‘ um unsere Neuankömmlinge. Dabei hilft ihm seine fröhliche, sehr soziale und aufgeweckte Art. Auch sind seine Sprachkenntnisse nahezu explodiert. Der Sport gibt ihm zusätzlich Selbstbewusstsein und er kann im Verein Kontakte außerhalb der Wohngruppe knüpfen."
Zweifache Gürtelprüfung: rot in Syrien, braun in Deutschland
Seit September 2022 ist Khaled Träger des braunen Gürtels – eines so genannten Kups. Braun ist die zweithöchste von zehnmöglichen Gürtelprüfungen für Taekwondo-Schülerinnen und Schüler vor Erreichen des schwarzen Gürtels und damit des Meistergrades, auch Dan genannt. In einigen Ländern, wie auch in Syrien, spricht man gleichbedeutend vom roten Gürtel. In seinem Heimatland hatte Khaled bereits den roten Gürtel - die syrische Urkunde wird jedoch in Deutschland nicht akzeptiert . Khaled meldet sich in Deutschland also erneut zur Prüfung des 2. Kups an. Heike Rambow, Khaleds Amtsvormundin in Deutschland, begleitete ihn am Prüfungstag: "Dieser Abend war ein Erlebnis. Khaled ist mit großer Freude und Ernsthaftigkeit beim Training und natürlich auch bei der Prüfung. Seine Bewegungsabläufe wirken fast wie ein Tanz – exakt, elegant. Er hat nun den roten - in Deutschland den braune Gürtel - noch mal bestätigt. Sein Ziel ist der schwarze Gürtel und ich bin sicher, er schafft das. Khaled kann auf seine Leistungen sehr stolz sein."
Auf der Urkunde zum 2. Kup schreibt sich der Vorname des Jugendlichen noch anders. Er hat mittlerweile die korrekte Schreibung offiziell ändern lassen in "Khaled". Dass Khaled einen Vereinssport ausübt, ist nicht selbstverständlich. Der Vereinsbeitrag wird in diesem Jahr vom Verein Aufwind Kinder- und Jugendfond Dresden getragen. Die Finanzspritze hat Khaled seinen Betreuerinnen und Betreuern aus der Jugendhilfe zu verdanken, die ihn beim Schreiben und Einreichen des Antrages unterstützten. Es blieb auch genug Geld für den Kauf eines Kampfanzuges, dem Dobok, übrig. Die nicht geringen Wettkampfkosten werden durch eine Spende eines früheren Mündels von Khaleds Vormundin finanziert. Der mittlerweile Erwachsene erinnerte sich noch gut an die eigene schwierige finanzielle Situation als unbegleiteter Minderjähriger und will Khaled nun mit einem Anteil seines eigenverdienten Geldes den Sport ermöglichen.
Eine Zukunft in Deutschland
Neben dem Kampfsport bestimmen Schule und Hausaufgaben den Alltag des 15-Jährigen. Ein wichtiges Thema, dass Khaled und seine Bezugsbetreuerinnen gerade zusätzlich beschäftigt, ist der Nachzug von Khaleds Familie. „Khaled hat einen subsidiären Schutz, das bedeutet, dass ein Familiennachzug prinzipiell möglich ist. Das ist allerdings ein langfristiger Prozess und wir brauchen hier viel Kraft und vor allem viel Geduld", erklärt Katharina Lötzsch. Khaled hat elf Geschwister, wovon jedoch einige noch im Teenageralter sind. "Aufgrund dieser Situation wird wohl erstmal nur ein Elternteil nach Deutschland kommen können", meint die Sozialpädagogin. Sie blickt positiv auf die kommenden Jahre. "Khaled ist ein toller Junge, der seinen Weg finden wird." Seine Zukunft sieht der junge Mann selbst, nicht nur wegen des möglichen Familiennachzugs, hier in Deutschland. "Mir gefällt es hier," sagt er und strahlt. Zunächst möchte er weiter die Schule besuchen, dabei noch ganz viel lernen und natürlich weiterhin Taekwondo trainieren.
Khaled und sein Trainer:innen-Team des Taekwondo Allkampf Club Dresden e.V. Heinrich Magosch: